Wer unter der Woche am Vorabend das erste Programm eines größeren österreichischen Staatssenders schaut, weiß: Die Nerds sind unter uns. Wer die Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend Festlegung der Ermittlung des Grundstückswertes (Grundstückswertverordnung 2016 – GrWV 2016) liest, bekommt einen leisen Verdacht, wo sie hierzulande heimisch geworden sind.
Wer es noch nicht weiß: Ab nächstem Jahr wird für die Berechnung der Grunderwerbsteuer der „Grundstückswert“ herangezogen; der Gesetzgeber hätte sich dafür ein einfaches oder ein gerechtes Berechnungsmodell einfallen lassen können (im Idealfall natürlich ein einfaches und gerechtes, aber das wäre ja absurdes Wunschdenken).
Stattdessen hat man sich in guter alter österreichischer Tradition für einen Kompromiss entschieden – es wird weder einfach, noch gerecht.
Daher wird der Grundstückswert „als Summe des hochgerechneten (anteiligen) dreifachen Bodenwertes gemäß § 53 Abs. 2 erster Satz BewG. 1955, BGBl. Nr. 148/1955, in der jeweils geltenden Fassung und des (anteiligen) Wertes des Gebäudes … nach folgender Formel errechnet werden:
[(anteilige) Grundfläche x dreifachem Bodenwert pro m2 x Hochrechnungsfaktor] + [Nutzfläche bzw. (anteilige) gekürzte Bruttogrundfläche x Baukostenfaktor x Bauweise-/Nutzungsminderung (100%/71,25%/60%/40%) x Altersminderung (100%/65%/30%)].“
Für die Steuer aus einer Schenkung/Erbschaft werden die Erben also z.B. angeben müssen, wann ein geerbtes Haus das letzte Mal saniert wurde – also, liebe Erben, wann erfolgte im Haus des verstorbenen Erbonkels das letzte Mal
- ein Austausch von Dach oder Dachstuhl,
- eine Erneuerung des Außenverputzes mit Erneuerung der Wärmedämmung,
- ein erstmaliger Einbau oder Austausch von Heizungsanlagen sowie Feuerungseinrichtungen,
- ein Austausch von Elektro-, Gas-, Wasser- und Heizungsinstallationen?
Die aktuellen Baupläne für die genauen Maße und Nutzflächen habt Ihr sowieso alle bei der Hand, hoffe ich doch.
So viel zum Thema Einfachheit.
Eine Verordnung legt dann auch den jeweiligen „Hochrechnungsfaktor“ je Gemeinde fest; auch da gibt es Überraschungen: Manch eigentlich „gute“ Lage kommt da relativ günstig davon, so manch anderer – doch eher biedere – Ort wird dagegen über Nacht zur teuren Nobelgegend. Schau an.
So viel zum Thema gerecht.
Gesetzestechnisch ist das durchaus in Ordnung: Man bewegt sich weiterhin im gewohnten Umfeld der unter seinesgleichen jahrhundertelang tradierten steuerlichen Liegenschaftsbewertung; die hat man gelernt, studiert, und hält man für gott-/naturgegeben – was dem einen seine String-Theorie, ist dem anderen eben das Bewertungsgesetz samt Ausführungsverordnungen.
Das Problem: Um Personal einzusparen, hat man das Steuereintreiben vor Jahren zum Teil ausgelagert – da sie ohnehin schon die Verträge und Verlassenschaften abwickeln, lässt man Rechtsanwälte und Notare die Grunderwerbsteuer gleich mit ausrechnen, einkassieren und beim Finanzamt abliefern („Selbstberechnung“ heißt das, Vermieter und Banken kennen das auch).
Aber: Man fragt sich, wer in Zukunft stundenlang recherchieren und mit den so gewonnenen Erkenntnissen Sudoku-artige Rechenaufgaben lösen soll; weiterhin Rechtsanwälte und Notare, im Idealfall gratis?
Vielleicht wird es ja tatsächlich noch Rechtsberater auf Mission und mit viel Tagesfreizeit geben, die das Erben und Schenken von Grundstücken grundsätzlich und immer selbst berechnen werden. Full disclosure: Ich sicher nicht. Und ich werde nicht allein sein.
Es braucht also nicht viel Fantasie, sondern nur ein wenig Erfahrung aus der Praxis, um sich den weiteren Ablauf auszumalen:
Die Erfinder dieses opulenten, postmodernen Formelwunders werden nicht primär die ihnen unterstellten Beamten und Vertragsbediensteten instruieren, sondern ihr elitäres (Insider-)Wissen gegen sehr gutes Geld in nebenberuflichen Vorträgen (bei ARS und Konsorten) an Rechtsanwälte und Notare vermitteln wollen – weil sie davon ausgehen, dass Notare und Rechtsanwälte weiterhin alles brav selbst-berechnen werden. Deswegen werden sie in den Finanzämtern, die man- und womenpower klein halten und nur für eine kurze Übergangszeit, eine österreichweite Telefon-Hotline mit gefühlten 2,7 kompetenten MitarbeiterInnen einrichten.
Diese MitarbeiterInnen werden nach kürzester Zeit vollkommen demotiviert sein, weil sie – stellvertretend – den Ärger und den Frust der überforderten (und stundenlang in der Warteschleife gehängt habenden) Anrufer und -innen abbekommen. Sie werden dann auf Anfragen antworten: „Das kann man jetzt noch nicht sagen, vielleicht wird es irgendwann irgendeinen Erlass dazu geben, machen Sie es einfach so, wie Sie glauben, bei der Überprüfung wird man dann eh sehen, ob es richtig war.“
Und so wird man eines schönen fernen Tages in den oberen Stockwerken der Finanz draufkommen, dass viel weniger selbst-berechnet wird als früher, also die Steuerberechnung wieder vermehrt dem Finanzamt überlassen wird – und wird dort vollkommen überrascht sein, weil: Das konnte ja wirklich keiner ahnen. Soweit in den Finanzämtern überhaupt noch Mitarbeiter physisch vorhanden und nicht wieder einer Einsparung/Reorganisation zum Opfer gefallen sind, werden diese dann vornehmlich im Außendienst tätig sein (auf der Pirsch nach Registrierkassenmeuterern).
Leute, die das neue Bewertungs-System beherrschen, wird es in den Finanzämtern wenige geben – die sollten ja eigentlich bloß im Nachhinein die Selbstberechnungen der Rechtsberater überprüfen (und dabei, wie böse Zungen behaupten, durch fantasie- und kunstvolle Auslegung des Bewertungsgesetzes samt Verordnung einen dann sorgfältig budgetierten Nachschlag einbringen, um die notorischen Planungsfehler und Fehlberechnungen der Politik auszubügeln).
Ergebnis am Ende des Tages: Die Bearbeitungszeiten in den Finanzämtern werden entsprechend sein, die Stimmung bei der betroffenen Bevölkerung und deren Beratern ebenso.
Gewinner sehe ich in diesem ganzen Szenario also nicht viele; so mag man dem federführenden Mastermind im BMF zurufen: Hey Sheldon, geh in Dich und denk noch einmal nach – das ist nicht wirklich nobelpreisverdächtig.