Neulich, im Notariat: Ein Klient (start-up) ruft an und will wissen, ob denn ein Letter of Intent (LOI) rechtlich nicht verbindlich sei. Er hätte nämlich einen solchen LoI mit einem Investor, der jetzt aber nach ein paar Wochen Verhandlung abgesprungen sei. Was kann man da tun? Die Antwort darauf ist klassisch juristisch …
… nämlich: Das kommt ganz darauf an.
Das Problem mit den LoIs ist: Das österreichische Gesetz kennt sie nicht; es kennt nur den Vorvertrag, die Punktation und die Option; ein typischer LoI ist keines davon (dasselbe gilt übrigens für „Termsheet“, „Memorandum of Understanding/Agreement“, …. und allen anderen ähnlichen Vereinbarungen im Vorfeld).
Die gute Nachricht: Man kann alles vereinbaren, was man will, solange es legal und im Rahmen der guten Sitten ist. Die schlechte Nachricht: Man muss das auch tun (nämlich alles regeln), weil das Gesetz kein bisschen hilft (aber doch im Hintergrund mitspielt, siehe unten).
Die Ausgangslage
Oft will man während der Verhandlung gewisse Dinge klarstellen, über die man sich bereits geeinigt hat. Meistens will man sich noch nicht endgültig bis ins letzte Detail binden, solange die Verhandlungen laufen, aber ein gewisses ausformuliertes Commitment über die Eckpunkte und die weiteren Verhandlungen soll da sein. Manchmal muss man gewisse Einblicke ins Unternehmens-Innerste gewähren (Due Diligence!), da will (und soll) man sich absichern.
Da diese Ausgangslage fast immer gleich ist, haben sich gewisse Grundstrukturen eingebürgert, also:
Sinnvoller Mindest-Inhalt eines LoI
- Wer sind die Vertragsparteien: Das scheint selbstverständlich, ist es aber nicht immer; oft weiß z.B. ein Investor am Beginn von Verhandlungen nicht, ob er selbst oder eins seiner Vehikel einsteigt.
- Der LoI soll den abzuschließenden Hauptvertrag vorbereiten; daher sollte man den Hauptvertrag (meistens die Beteiligung) in den wichtigen Punkten kurz beschreiben. Überraschend oft kommt man in der Praxis dann drauf, dass man bis jetzt vielleicht ein wenig aneinander vorbeigeredet hat.
- Kurze Beschreibung des status quo bzw. des aktuellen Verhandlungsstatus – auch da stellen sich überraschend oft unterschiedliche Standpunkte heraus.
- Skizzierung des weiteren Procederes: im Detail, am besten gleich mit Zeitplan und/oder Milestones; das wird umso wichtiger, wenn in den weiteren Verhandlungen noch weitere Vorleistungen (Due Diligence!) erbracht werden sollen. Da sollte man klar regeln, wer wann was wie wo tun darf/soll/muss.
- In der Praxis ganz oft ein Thema: Die weitere Finanzierung des Unternehmens während der Verhandlungen, vor allem wenn diese länger dauern – so manches start-up will kein Geld, sondern braucht es (dringend).
- Vertraulichkeitsvereinbarung: Wer sein gesamtes Unternehmen einem fremden Unternehmer auf einer DVD/einem USB-Stick präsentiert, will nicht, dass diese Daten außerhalb der Verhandlungen und gegen sein Interesse verwendet werden. Wenn auf der anderen Seite ein börsennotiertes Unternehmen steht, muss das wieder die Öffentlichkeit informieren (ad-hoc Meldung). Das muss man abstimmen und klären.
- Wer-zahlt-was für beide, während der gesamten Verhandlungsphase: ja eh klar, Geld ist immer ein Thema.
- Exklusivität: Oft will ein Investor, dass er der einzige Verhandlungspartner bleibt. Das ist durchaus üblich, man sollte das aus Sicht des start-ups aber auf eine gewisse Zeit beschränken.
- Verbindlichkeit: des Pudels Kern; hier muss man klipp und klar regeln, welcher Punkt im LoI verbindlich ist und welcher nicht. Das kann man vollkommen frei festlegen. Ebenso Teil dieses Themas: Die Sanktionen für vertragswidriges Verhalten, z.B. ein Verstoß gegen die Vertraulichkeit. Es nützt nämlich nichts, wenn man etwas vereinbart, man aber dann nichts machen kann, wenn sich der andere nicht daran hält – das unterscheidet eben einen Vertrag von einem Gentleman’s Agreement. Die konkrete Bindungswirkung eines LoI ist in jedem Einzelfall anhand des Parteiwillens und durch Auslegung zu ermitteln, allein die Bezeichnung „Letter of Intent“ sagt dazu gar nichts aus.
- Schriftformvorbehalt: Auch logisch – es nützt der ausführlichste Vertrag nichts, wenn der Andere dann behaupten kann, man habe den strittigen Punkt nachher im persönlichen Gespräch wieder geändert/entfallen lassen.
- Rechtswahl und Gerichtsstand: Immer sinnvoll für ein österreichisches Unternehmen, österreichisches materielles Recht vor einem österreichischen Gericht zu vereinbaren. Im worst case steigt der Investor mit einer britischen Limited ein und ein Judge in Brighton entscheidet dann, was der LoI bedeutet – und das kann durchaus überraschend sein.
WTF ist Culpa in Contrahendo?
Ich habe oben erwähnt, dass das Recht manchmal dennoch mitspielt; eine Verhandlung ist nämlich kein rechtsfreier Raum: Da gibt es eine Reihe von Pflichten, deren Verletzung der Experte als „Culpa in Contrahendo“ (Expertensprache, also Latein!) zusammenfasst. Vereinfacht gesagt muss „jeder Verhandlungspartner den anderen über Umstände, die für diesen erkennbar von Bedeutung sind, aufklären und sich allgemein so verhalten, dass der andere Partner keinen Schaden erleidet. Eine Verletzung dieser vorvertraglichen Pflichten kann etwa darin bestehen, dass ein Verhandlungspartner den anderen über Probleme im Zusammenhang mit dem geplanten Hauptvertrag nicht informiert, Parallelverhandlungen mit Dritten führt, obwohl er den Anschein der Exklusivität erweckt, erhaltene Informationen missbraucht oder weitergibt oder die Verhandlungen grundlos abbricht. Eine allgemeine Pflicht, den Partner über sämtliche den Entschluss zum Vertragsabschluss allenfalls beeinflussende Umstände aufzuklären, besteht jedoch nicht.“
Klartext: Ein LoI ist ein komplexes rechtliches Werk auf rechtlich ungesichertem Fundament und daher ein schlechter Platz, am falschen Ende zu sparen und eigene „Skills“ zu testen.
Der (obligatorische) Disclaimer:
Das ist ein Blog, kein Rechtsgutachten – der Inhalt ist nach bestem Wissen und Gewissen heute richtig, kann aber nie vollständig sein und alle Umstände berücksichtigen – schon gar keine zukünftigen und schon gar nicht Ihre ganz speziellen: Das Lesen von Blogs (und anderen Ratgebern in Internet oder Zeitung) kann daher eine individuelle Beratung nie und nimmer ersetzen.
Noch einmal Klartext: Wer glaubt, nur mit Gratis-Info aus dem Internet all das selbst vollbringen zu können, wofür andere jahrelang studieren und Praxis sammeln müssen, ist selber schuld, wenn es schiefgeht!