„Die Verkäufer haben die Wohnung selbst besichtigt und übernehmen diese wie sie liegt und steht, mit allen Rechten und Pflichten wie der Verkäufer sie besessen und benutzt hat bzw. zu besitzen und benützen berechtigt war.“ Fast jeder, der eine Immobilie gekauft hat, kennt diesen Satz (oder einen ähnlichen): Spannend ist, dass viele darunter ganz Unterschiedliches verstehen – und nur selten das, was es wirklich bedeutet.
Neulich, im Notariat: Wir sollten einen Kaufvertrag über eine Eigentumswohnung errichten und abwickeln; der Verkäufer wollte keine Zusagen zum Zustand der Wohnung machen, weil er diese gerade geerbt hatte und überhaupt nicht kannte.
Die Käufer waren damit grundsätzlich einverstanden.
In unserem Erstentwurf wurde das auch schön berücksichtigt und geregelt: Jedoch wollte der Makler des Verkäufers, dass alle unsere schönen Formulierungen gestrichen und durch die oben genannte ersetzt werden – weil der Verkäufer ja nicht haften sollte. Die darauffolgende Diskussion zeigte, dass jeder der 3 Parteien (Verkäufer, Käufer, Makler) eine ganz andere Idee hatte, was denn die vom Makler vorgeschlagene Formulierung eigentlich bewirkt hätte. Daher hier eine kurze Darstellung, wofür „gehaftet“ wird, wenn eine Immobilie zwischen Privaten verkauft wird (rechtlich heißt das „Gewährleistung“).
- Generell können beide ausmachen, was sie wollen: vom kompletten Gewährleistungsausschluss bis zur Zusage, dass die Etagenheizung noch mindestens 5 Jahre wartungsfrei funktionieren muss; klar ist, dass man dann alles, worauf man sich geeinigt hat, genauso in den Vertrag hineinschreiben muss.
- Das Gesagte gilt auch für „versteckte“ Mängel (also solche, von denen keiner von beiden etwas wusste) – auch da sollte man klarstellen, ob dafür gehaftet werden soll oder eben nicht.
- Die beiden Punkte eben waren wohl klar, aber jetzt kommt die Überraschung: Selbst ein genereller Gewährleistungsausschluss (z.B. „Jede Gewährleistung des Verkäufers ist ausgeschlossen.“) schließt nicht jede Gewährleistung aus. Der Klassiker: Kontaminierungen sind nach Meinung der Gerichte grundsätzlich von einem solchen generellen Gewährleistungsausschluss nicht umfasst.
- Ebenso nicht umfasst von einem generellen Gewährleistungsausschluss sind „ausdrücklich oder schlüssig zugesicherte Eigenschaften“; das heißt also z.B.: Der Verkäufer haftet trotz eines generellen Gewährleistungsausschlusses dafür, dass die Klimaanlage funktioniert, wenn das im Vorfeld in irgendeiner Weise zugesagt wurde – von ihm selbst oder seinem Vertreter (z.B. Makler!). Diese Zusage kann schon im Verkaufsinserat oder Maklerexposé stehen oder sich aus einer Email-Korrespondenz ergeben („Geht die Klimaanlage eigentlich?“ AW: „Ja, die funktioniert tadellos.“).
- Die Gerichte stehen einem umfassenden generellen Gewährleistungsausschluss grundsätzlich skeptisch gegenüber: Wenn der Verkäufer also für bestimmte Dinge partout nicht haften will, dann sollte man diese explizit in den Vertrag schreiben, damit das dann auch wirklich hält.
- Ein bloßer genereller Gewährleistungsausschluss schließt auch nicht andere Rechtsbehelfe aus: Es hilft dem Verkäufer nichts, wenn er zwar keine „Gewähr leisten“ muss, aber wegen „Irrtum“ oder „Schadenersatz“ erst recht wieder herangezogen werden kann. Also auch hier: Das muss klar geregelt werden.
- „Besichtigungsklauseln“ (also eine wie oben) schließen die Gewährleistung nur für solche Mängel aus, die bei der Besichtigung erkennbar waren; muss der Käufer den Mangel nicht erkennen (typisch: Feuchtigkeit, Schimmel), dann haftet der Verkäufer weiterhin dafür! Eine „Besichtigungsklausel“ ist also alles andere als ein vollkommener „Haftungsausschluss“ – das sieht der Oberste Gerichtshof seit den 1970-iger Jahren so, es sollte sich also in Fachkreisen mittlerweile herumgesprochen haben. Der Einwand unseres Beispiel-Maklers war also absolut kontraproduktiv und zum Nachteil seines Kunden. Und: „Wie besichtigt“ nützt einem in einem Prozess ohnehin nur dann etwas, wenn man dokumentieren kann, wie der Zustand bei der Besichtigung denn eigentlich war.
Klartext: Käufer und Verkäufer haben gewisse Vorstellungen über „Haftungen“ für die ver-/gekaufte Immobilie: Daher sollte man das im Interesse beider im Vertrag entsprechend regeln und zwar detailliert, Stück für Stück – und nicht mit altehrwürdigen Standardklauseln, unter denen jeder etwas Anderes versteht. Ja, das ist mühsam, ja, man will nicht über einzelne Formulierungen streiten, ja, man hat weder Lust noch Zeit dazu, weil man gedanklich schon einzieht bzw. den Kaufpreis ausgibt, aber: Man sollte Nägel mit Köpfen machen, wenn man sich nachher nicht jahrelang mit ungewissem Ausgang streiten will.
Der (obligatorische) Disclaimer: Das ist ein Blog, kein Rechtsgutachten – der Inhalt ist nach bestem Wissen und Gewissen heute richtig, kann aber nie vollständig sein, und alle Umstände berücksichtigen – schon gar keine zukünftigen, und schon gar nicht Ihre ganz speziellen: Das Lesen von Blogs (und anderen Ratgebern in Internet oder Zeitung) kann daher eine individuelle Beratung nie und nimmer ersetzen.
Noch einmal Klartext: Wer glaubt, nur mit Gratis-Info aus dem Internet all das selbst vollbringen zu können, wofür andere jahrelang studieren und Praxis sammeln müssen, ist selber schuld, wenn es schiefgeht!