Das neue Verlassenschaftsverfahren. Jetzt europäisch und mit Erbschaftsteuer im Schlepptau!
Seit 17.8.2015 gilt in der EU (ausgenommen natürlich für Briten, Iren, und Dänen) die
EU-Erbrechtsverordnung. Wenn Sie wissen wollen, wen das betrifft und warum jetzt manchen noch gut schlafenden Österreicher eine Erbschaftssteuer von über 80% erwartet, lesen Sie weiter …
Alles neu: der europäische Nachlass-one-stop-shop!
Die Erbrechtsverordnung ändert das österreichische Verlassenschaftsverfahren komplett: Denn jetzt ist nicht mehr die Staatsbürgerschaft entscheidend, welches Recht gilt und welches Gericht das Verfahren abwickelt, sondern der „gewöhnliche Aufenthalt“; also dort, wo man seinen persönlichen und familiären Lebensmittelpunkt hat.
Das bedeutet z.B. für einen Österreicher, der hauptsächlich in Spanien lebt, dass nach seinem Ableben sein ganzer EU-Nachlass durch ein spanisches Gericht nach spanischem Erb- und Verlassenschaftsrecht abgehandelt wird. Es gelten dann spanisches Testamentsrecht, spanische Erbquoten, spanisches Pflichtteilsrecht, spanisches Verfahrensrecht usw. Umgekehrt heißt es ebenso z.B. für einen Deutschen, der seine Rente in Österreich genießt, dass sein gesamter EU-Nachlass in Österreich durch ein österreichisches Gericht nach österreichischem Recht abgewickelt wird.
Was heißt das für die Angehörigen?
Das macht die Sache einerseits einfacher, wenn man Vermögen in mehreren Ländern hat: Man muss jetzt nicht mehr mehrere Erbschafts-Verfahren in mehreren Ländern nebeneinander führen.
Das macht die Sache andererseits mühsam, wenn man das Erb- und Verfahrensrecht des Aufenthalts-Landes nicht kennt und bis jetzt alles nach seinem Heimatrecht geordnet hat: Das kann zu bösen Überraschungen führen – ganz abgesehen von der möglicherweise mehrmaligen Anreise, der anderen Sprache, in der man das Verfahren zu führen hat und den (natürlich zu bezahlenden) Beratern vor Ort, die man brauchen wird.
Neue fremde Erbschaftssteuer?
Es macht die Sache unter Umständen auch teuer, weil das Verlassenschaftsverfahren in einem anderen EU-Land dort auch Anknüpfungspunkt für eine mögliche Erbschaftssteuer sein kann: Und besteuert wird dann der ganze EU-Nachlass! Wer also in Spanien seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, zahlt dann dort nicht nur Steuer für das spanische Vermögen, sondern auch für das in Österreich und der restlichen EU befindliche – inklusive Sparbücher, Depots, Immobilien, Unternehmen usw.! Da schleicht sich also eine umfassende Erbschaftssteuer durch die Hintertür ein; in 18 EU-Ländern gibt es nämlich Erbschaftssteuern.
Und da das Steuerrecht in der EU nicht harmonisiert wurde, kann man theoretisch in jedem Staat isoliert besteuert werden: Dann zahlt man also für seine Eigentumswohnung in Wien nicht nur Erbschaftssteuer in Spanien, sondern zusätzlich auch Grunderwerbsteuer in Österreich. Und: In Spanien beträgt die Erbschaftssteuer im Extremfall über 80%. Ähnlich heftig besteuert Belgien – für Mitarbeiter bei europäischen Organisationen in Brüssel nicht uninteressant zu wissen. In besonders ungünstigen Konstellationen braucht man mehr als das ganze Erbe, um die Erbschaftssteuern dafür zu bezahlen!
Zusatzproblem: Wenn man das alles nicht weiß, erledigt man auch die jeweils notwendigen Steuerformalitäten nicht – und das führt dann möglicherweise auch noch zu Säumnis- und Strafzuschlägen, Finanzstrafverfahren, usw.
Was kann/soll man tun?
Will man das alles nicht, dann kann man letztwillig eine „Rechtswahl“ anordnen und sich (wieder) für das Recht seiner Staatsbürgerschaft entscheiden (ein anderes Recht ist nicht möglich, man kann sich also nicht das „ideale“ Erb-und/oder Erbschaftssteuerrecht für seine jeweilige Lebenslage aussuchen).
Das bewirkt zwei Dinge: Erstens gilt dann wieder das österreichisches Erbrecht, das Sie kennen – anzuwenden aber (nach wie vor) von einem spanischen Gericht.
Daher können zweitens die Erben die Zuständigkeit für das gesamte Verlassenschaftsverfahren an das österreichische Gericht übertragen. So herrscht im Ergebnis wieder das gleiche Prinzip wie jetzt, mit einer positiven Nebenerscheinung: Das österreichische Gericht handelt dann auch über das spanische Vermögen ab und die Erben bekommen ein „europäisches Nachlasszeugnis“; damit können sie in Spanien (und der restlichen EU) alles Notwendige erledigen, ohne dort ein eigenes Nachlassverfahren durchführen zu müssen.
Manches ist von vorn herein von dieser EU-Regel ausgenommen: Zum Beispiel (Lebens- Versicherungen, Privatstiftungen, Personengesellschaften. Da kann (und sollte) man dann kreativ gestalten: Es wäre durchaus möglich, dass z.B. „Familienholdings“ in Form einer OG oder KG eine Renaissance erleben, weil man dort im Gesellschaftsvertrag die Zuwendungen und Aufteilungen nach dem Ableben ziemlich frei regeln kann; und das jetzt auch noch außerhalb eines – österreichischen oder ausländischen – Verlassenschaftsverfahrens und ohne einer Besteuerung hier wie dort.
Klartext: Alle, die nicht ausschließlich in dem Land wohnen, dessen Staatsbürger sie sind, sollten sich informieren und vorsorgen – beginnend mit einem Gespräch mit dem Steuerberater.
Danach ist ein guter Zeitpunkt, seine Dinge neu zu ordnen – nach einer rechtlichen Beratung beim Notar, in einem neuen Testament mit Rechtswahl. Oder einer anderen individuell angepassten Lösung.
Und im Falle des Falles sollten die Angehörigen schnell handeln und den zuständigen Notar kontaktieren, damit die Zuständigkeit möglichst rasch an das österreichische Gericht übertragen wird: Damit das Verfahren hier nicht so lange dauert, wichtige Dinge sofort erledigt werden können und damit beim Gericht des Aufenthalts nicht unnötige Kosten auflaufen.